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Miniaturkabinett

19. Abteilung

Der Freundschaftstempel

  • Christian Stöcklin (1741-1795)
  • Ölhaltige Malerei auf Papier, H.: 12,4 cm; B.: 20,4 cm; T.: 0,4 cm
  • hmf.Pr783
  • hmf, Foto: Horst Ziegenfusz

Das Gemälde zeigt den Blick in ein teils ruinöses Phantasiegebäude, das nach vorne durch eine bühnenbildartige Architektur abgeschlossen ist: Von seitlichen Wandflächen gerahmt und von einem korinthischen Säulenpaar getragen, überspannt ein fast bildhoher Korbbogen den Durchgang mit Blick in die dahinter liegenden Gebäudeteile. Brennende Wandleuchter in Form flammender Herzen an allen vier Säulen entsprechen dem in der Bezeichnung auf den Säulenbasen angegebenen Bildthema des „Freundschaftstempels“. Durch die linke Tür erkennt man im dahinter liegenden Raum eine Mauernische mit einer der Freundschaftsthematik entsprechenden Statuengruppe eines sich umarmenden Paares. Die rechte Tür gibt durch einen Rundbogen den Ausblick auf eine weite Landschaft frei. Der mittige Durchgang leitet sodann zu einem Innenraum mit längsovalem Grundriss über. Die wohl ehemals vorhandene Kuppel des imposanten Raumes fehlt und auf der ruinösen Mauerkrone wachsen Bäume und Büsche. Durch einen weiteren Durchgang blickt man in einen Raum, der der Vierung einer Kirche entspricht.

Stöcklins Freundschaftstempel entstand in einer Epoche, die den Begriff der „Freundschaft“ zu einem Thema des literarisch-philosophischen Diskurses erhob, ja unter den Vorzeichen der „Empfindsamkeit“ einen regelrechten Freundschaftskult pflegte. „Freundschaftstempel“ wurden als reale Architekturen in Gärten und Landschaftsparks errichtet und fanden mit dem Bautyp des Monopteros ihre spezifische architektonische Form. Als frühestes erhaltenes Beispiel gilt der 1739/42 für Richard Lord Cobham errichtete Tempel im Park von Stowe (nahe Oxford). Auf dem Kontinent folgten zunächst Anlagen in Brandenburg: Nach einem ersten Staffagebau im Schlosspark Rheinsberg vor allem der Freundschaftstempel von Sanssouci (Carl von Gontard, 1768/70), den Friedrich II. von Preußen wohl unter dem Eindruck von Voltaires Gedicht „Temple de l’amitié“ errichten ließ.

Christian Stöcklins Freundschaftstempel wirkt ausgesprochen originell – doch andererseits kompilierte der Maler dabei wiederum Bildthemen und Kompositionen, die ihm ausgesprochen vertraut waren, wie dekorativ aufgefasste Ruinenstücke und insbesondere Kircheninterieurs nach der Phantasie. Das daraus entstandene Capriccio könnte vielleicht auch symbolhaft zu verstehen sein, etwa in dem Sinne, dass im ruinierten Gebäude der (christlichen) Tradition ein neuer Kult der Freundschaft gepflegt wird.

(Julia Ellinghaus, Kurzfassung: Sina Bergmann)

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